Da sitz ich nun, im Vorraum der Kita, und wische mir verstohlen die Tränen weg. Eltern kommen und Eltern gehen, bringen ihre Kids weg, kucken zum Teil verständnislos, zum Teil allwissend oder auch mitleidig. „Ach kuck ma, die Arme, erste Kitatrennung bestimmt. Kann sich wohl nicht von ihrem Baby lösen. Naja, aber das wird schon. Been there, done that.“ Aber ich weine nicht, weil ich von meinem Baby getrennt bin.
Nicht nah am Wasser, sondern knietief drin
Ich weine, weil ich nicht anders kann. Weil ich nicht mehr kann. Die Tränen laufen einfach und lassen sich nicht aufhalten. Weil heute einer dieser Tage ist und ich mal wieder auf dem Grenzstein tanze. Die letzten Tage waren schon sehr wild, sehr laut und kräftezehrend. Der Infekt am Wochenende und die Zähne tun ihr übriges, unser Brülläffchen ist zurück und es gibt alles. Dazu die Eingewöhnung in die Kita, seine kleine Welt steht Kopf. Und ich versteh das sogar.
Wenn ich mir die Augen zu halte, sieht mich vielleicht keiner
Es kommt meist schleichend. Wie ein Schatten ziehen diese Phasen auf, ganz langsam verdunkelt sich unsere Welt. Es beginnt damit, dass er (noch) schlecht(er) schläft als sonst, irgendwie unruhiger ist, mehr weint und sich schwerer beruhigen lässt. Sein Lieblingsplatz auf meinem Arm wird kaum noch verlassen, und wenn ich es wage, ihn abzusetzen, wird das sofort vehement und lautstark versucht, abzuwenden. Als wäre er auf meine Hüfte geklebt. Selbst nachts schlafen wir, wenn überhaupt, eng aneinander geschmiegt oder er auf mir. Kein Zentimeter zwischen uns, kein Platz zum Drehen, Bewegungsfreiheit wird überbewertet. Das geht dann meist ein paar Tage so, in denen ich dem noch nicht viel Beachtung schenke, es versuche, mit „Ach was, sicher müde.“ abzutun und meine Gedanken in andere Bahnen zu lenken. Und dann kommt ein Tag wie heute.
Die Nacht war zu kurz, dafür aber häufig unterbrochen und der Tag beginnt viel zu früh und mit Geschrei. Das Baby lässt sich nicht absetzen, im einhändig aufs Klo gehen und Zähne putzen bin ich inzwischen Meisterin. Die nächsten Stunden sind laut und anstrengend und dabei ist es noch nicht mal acht. Unter Babyprotest den Großen wecken, Morgenroutine, beim Anziehen helfen. Unglaublich, wie willensstark so ein Wicht sein kann. Der Große hält sich derweil die Ohren zu.

„Warum ist es hier immer so laut, Mama?“
Ich weiß es nicht, mir ist es auch zu laut. Weiter in die Küche und Kaffee kochen, den brauch ich jetzt dringend, jetzt aber schnell. Schraubkanne und Milchschäumer, inzwischen einhändig auch kein Problem mehr. Ein Mal mehr bin ich dankbar, dass unsere Kita sich ums Frühstück kümmert und ich nicht noch bunte Boxen vorbereiten muss. Zwei Kinder winterwarm anziehen, Gebrüll. Mit zwei Kindern zum Auto gehen, Kaffee vergessen, Gebrüll. Nochmal zurück, der erste Schluck Kaffee ist unbezahlbar, Gebrüll. Das Auto vom Eis freikratzen, Kinder reinsetzen, Gebrüll. Seit ein paar Tagen fahren wir nicht mehr mit Babyschale, sondern in einem richtigen Kindersitz. Das führt dazu, dass wenigstens das Autofahren besser funktioniert und nicht mehr unter Dauerbeschallung stattfinden muss. Normalerweise. Nicht so heute. Gebrüll.
Same same, but different
Und dann, in der Kita, Klamotten aus, Haussocken an, ab zum Frühstück. Freitag ist Pfannkuchentag, ein Lichtblick, der Große ist selig und kaum zu bremsen. Der Kleine nicht so. Kein Erkunden des Raums wie in den letzten Tagen, keine Neugier, kein Spielen mit seiner Bezugserzieherin. Er gibt ihr heute nicht mal die kleinste Chance, lässt sich nicht beruhigen. Nicht mal von mir. Gebrüll, Gebrüll, Gebrüll. Weil nicht mal ich ihm geben kann, was ihm zu fehlen scheint, versuchen wir wenigstens eine Trennung. Mein Laptop und ich, wir warten vor der Tür, während es drinnen langsam leiser wird. Sie trägt ihn, singt für ihn, schuckelt ihn, ist für ihn da. Und er lässt es zu, beruhigt sich ein bisschen, ist unendlich erschöpft.
Als ich nach etwa einer halben Stunde zurück in den Raum komme, schläft er. Er sieht friedlich aus, wie er da liegt, und ich hauche ihm einen Kuss in den Nacken. So wie mein Herz schier überläuft vor Liebe, so laufen die Tränen – schon wieder – und ich kann nichts dagegen machen. Ich bin so müde, mir tut alles weh, ich weiß nicht, wie lange ich das noch aushalten kann.

Durchatmen. Weitermachen.
Den Rest des Vormittags brachte er auf meinem Arm zu. Ich habe gekocht, er hat geweint. Ich habe gegessen, er hat geweint. Und er windet sich so sehr dabei, es ist, als würde er kämpfen. Die ganze Zeit, gegen unsichtbare Feinde. Er will weg, aber irgendwie auch nicht und ich bin mal wieder mit meinem Latein am Ende.
Gerade wurde er von meinem Nachbarn zum Spazieren abgeholt, Mittagsschlaf im Wagen an der frischen Luft. Ich müsste eigentlich und sollte dringend.. Aber ich kann nicht. Und ich werde auch nicht. Ich werde mir einen Kaffee machen, mich auf die Couch legen und einen Moment Pause machen. Kraft tanken, für wenn es gleich weitergeht. Denn schließlich ist es ja gerade erst Mittag…



Liebst,

12 Kommentare
Wichtiges Thema 💔
Bei @annafiederlingdesign findest Du „Auf der Suche nach Herrn Aronson.“ Sehr schöne Geschichte, wunderbar gezeichnet 🐳
Danke dir vielmals, das schau ich mir gerne mal an!
Gemeinsam mit meinen Kindern gehen wir nächste Woche auf eine Beerdigung. Daher suche ich nach hilfreichen Methoden, um ihnen den Umgang mit dem Tod leichter zu machen. Jetzt weiß ich immerhin, dass Bücher dabei helfen, Trauer zu verstehen und daher Fragen beantworten, die man eventuell selber nicht beantworten kann. Ich werde das Buch „Opa, welche Farbe hat der Tod“ kaufen.
Unsere Kinder mussten das erste Mal miterleben wie ein geliebter Mensch von ihnen geht. Es ist gut zu wissen, dass Trauerbücher für Kinder dabei helfen können, mit diesem schwierigen Thema umzugehen. Zeitgleich sind wir noch auf der Suche nach einem zuverlässigen Bestattungsinstitut, das uns in dieser Angelegenheit unterstützt.
Ich bedanke mich für den gut beschriebenen Artikel. Viele Trauerbücher für Kinder habe ich selbst noch gar nicht gekannt. Jetzt bin ich bestens für mein Vorhaben vorbereitet.
Herzlichen Dank für diesen Beitrag. Meine Ehefrau ist vor kurzem gestorben und mein Enkel hat noch Probleme dieses Ereignis zu verstehen. Ich hoffe, dass die Bestattung nach den Vorstellungen meiner Familie umgesetzt wird und dass mein Enkel den Prozess gut verarbeitet.
Hallo,
vielen lieben Dank euch für diesen großartigen Artikel! Sehr gut recherchiert und informativ. Ich freue mich schon auf weitere Beiträge dieser Art.
Grüße vom Steffen
Mein Vater ist leider von uns gegangen und da haben die Kinder wirklich viele Fragen. Gut, dass das Buch hier helfen kann. Zum Glück haben wir die Bestattung an ein Unternehmen abgegeben, die uns die Zeit für viele andere Dinge freiräumt. So kann ich mich auf meine Kinder konzentrieren.
Danke für diesen schönen Beitrag. Meine ältere Cousine ist vor einiger Zeit verstorben und ihre Kinder, insbesondere der jüngste Sohn, versteht die Situation noch nicht ganz und hat Probleme sich richtig zu verabschieden. Vielleicht ist eins der Bücher eine gute Hilfe.
Wir planen derzeit eine Trauerfeier, zu der viele Kinder kommen werden. Ich überlege, einige der Bücher an die Eltern zu verteilen, um es einfacher für sie zu machen, die Fragen zu klären. Als Kind muss das Ganze wirklich hart sein, da man es nicht wirklich verstehen kann wie Erwachsene.
Vielen Dank für diesen Artikel zum Umgang mit dem Tod. Gut zu wissen, dass es viele Bücher extra für Kinder zu dem Thema gibt. Der Opa meiner Tochter ist verstorben und neben dem Austausch mit dem Bestatter werden ihr solche Bücher bestimmt helfen.
Vielen Dank für diesen Artikel zu Trauerbüchern. Gut zu wissen, dass es für alle Altersgruppen ein Angebot gibt. Ich werde bald mit meinem Sohn auf zwei Bestattungen gehen und werde ihn mit solchen Büchern etwas darauf vorbereiten.