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Ich geh mit dir, wohin du willst – Warum Auszeiten schaffen bei uns nicht nur für Eltern gilt
Da lieg ich nun neben meinem Jüngsten, höre seinem gleichmäßigen, zur Zeit leider mal wieder röchelnden und rasselnden Atem zu und bin allerschwerst verliebt. Und während ich da so liege, hörend und liebend, wird mir noch klarer, dass Vormittage wie heute essentiell sind. Viel wichtiger, als gedacht und bitter nötig. Denn zur Zeit eskaliert es hier mal wieder in (gar nicht mal so) schöner Regelmäßigkeit. Unser Zweiter, der ja eigentlich laut Volksmund „einfach so nebenher“  laufen sollte, tut nämlich exakt das Gegenteil davon. Das allerdings mit voll Karacho. Er ist ein unglaublich gefühlstarkes Kerlchen, und gefühlstark meint dabei alle Richtungen.
 

Gefühlsstarke Kinder, ein Exkurs

Wenn er sich freut und er freut sich viel, dann geht auf der Stelle die Sonne auf. Er strahlt über das ganze Gesicht, lacht laut und sein Lachen steckt an. Zum Glück ist das keine Seltenheit (mehr), denn er freut sich so oft und ist leicht zu begeistern: Steinchen, Schnecken, sein Hochstuhl, tanzen, draußen sein, Schuhe anziehen, Schaukeln, auch etwas aus der magischen Schublade naschen dürfen, Wasser, Sand, sein Bruder, sein Papa, ich. Sein schelmisches Grinsen wenn er was im Schilde führt, sein Lachen, er ist hinreißend wie nur was.
 
Dann trifft es uns wieder wie aus dem Nichts. Gerade noch sonnig bis heiter, aber plötzlich hängen da die dunkelsten Wolken über uns und sein Zorn bricht los. Weil er gestolpert ist oder ihm das Spielzeug aus der Hand fiel, weil ich es wagte, ihn abzusetzen oder gar seinen Bruder auf den Arm oder Schoß zu nehmen, weil ihm das mit dem Essen nicht schnell genug geht oder er nicht einschlafen kann, obwohl er doch so unendlich müde ist. Und manchmal, da sind es auch einfach nur Steinchen, Schnecken, sein Hochstuhl, (…), die die Lunte zünden und unsere kleine Bombe vom friedlichen Ticken in den großen Knall katapultieren.

Das Los der älteren Geschwister

Häufig ist es leider so, dass da dann unsere meiste Energie verbraucht wird und der große Bruder, der mit seinen drei Jahren (Dreidreiviertel, Mama!) immer wieder verständnisvoll zurückstecken muss, in dem Gefühlschaos verloren geht. Klar, er liebt seinen kleinen Bruder über alles und teilt sogar seine Gummibärchen mit ihm. Doch es ist nicht leicht, sich zwischen all den „Warte kurz, ich muss noch schnell“s und „Dein Bruder braucht gerade noch“s Gehör zu verschaffen. So hat er wohl irgendwann gemerkt, dass man die elterliche Aufmerksamkeit am besten (und garantiert) auf sich lenken kann, in dem man Quatsch verzapft. Wenn wir Glück haben, wird nur die x-te Klopapierrolle durch das Haus gerollt, offen versteht sich. An Tagen mit weniger Glück kommt es durchaus vor, dass wir uns schrubbend und desinfizierend auf allen Vieren wieder finden oder versuchen, Filzstiftfarbe von der Wand zu radiere.
 
Und gestern, gestern war wieder mal so ein Tag. Gestern Abend war es zum ersten Mal soweit, dass ich schlichtweg resignierte. Ich wusste nicht weiter, hatte gebeten, gefragt, gefordert, geschimpft, gedroht und letztlich geschrieen (nein, das brachte nichts und ja, das wusste ich auch vorher. trotzdem knallte meine Sicherung menschlicherweise einfach irgendwann durch.) Irgendwann wusste ich dann nicht mehr weiter, fühlte mich traurig, so leer und so hilflos. Ich hab resigniert, dem Kind einen Kuss aufs Haar gehaucht und bin mit hängenden Schultern und Tränen in den Augen aus dem Zimmer geschlurft. Einfach gegangen. Draußen hab ich ich dann hingesetzt und auf meinen Mann gewartet, der den Großen wie immer ins Bett brachte.
 
Attachment parenting, bedürfnisorientierte Erziehung, das Kind durch seine Gefühle begleiten – alles gut und schön und in der Theorie ja wirklich ganz zauberhaft. Trotzdem ist die Realität eine andere und man merkt manchmal erst, wie doof und einbahnstraßig man war, wenn der Drops schon gelutscht und die Worte schon gebrüllt sind.
 
Als mein Mann dann kurze Zeit später auf die Terrasse kam, stand für mich fest: ich würde meinem Großen den Vormittag schenken, ganz exklusiv, nur er und ich. Nicht, weil ich ein schlechtes Gewissen hatte, sondern weil das längst überfällig war und mindestens allerhöchste Eisenbahn. Ich wollte ihn rausholen aus dem Familienalltag, ihm Zeit schenken, in der er nicht großer Bruder, sondern nur mein Kleiner ist und ihm ein bisschen Unbeschwertheit zuschachern. Keine Rücksichtnahme, kein „Jetzt warte doch bitte mal“ oder „Später vielleicht“. Nur er und ich und etwas, das er längst wieder mal machen wollte.

Ich geh mit dir, wohin du willst – heute ist Bestimmertag

Und so kam es, dass wir gegen halb zehn Hand in Hand zum Auto schlenderten, den Rucksack auf dem Rücken (also ich), einen Feuerwehrhelm auf dem Kopf (also er) und zum Schwimmbad fuhren.
 
Auszeiten schaffen für Kinder | Warum Exklusivzeit für Mama und Kind so wichtig ist | judetta.de
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Wir tobten, planschten, stapelten und bauten, kletterten und trieben, schwammen und enterten, kaperten und kenterten. Ich war einfach für ihn da, ließ mich bedingungslos auf ihn ein und genoss das Strahlen in seinen Augen. Kapitän Krokodilauge und Pirat Pelle auf großer Tour.
 
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Die gebuchten Stunden verflogen im Nu und schon mussten wir wieder los. Das war ein toller Vormittag und sicherlich kein Allheilmittel, aber es war immerhin ein Anfang. Und ein guter Probelauf für die nächste Mama-Sohn-Auszeit, die jetzt einmal im Monat fest eingeplant wird. Das nächste Mal darf es dann gern auch ein bisschen länger dauern, mal sehen, was uns dann einfällt. Auf jeden Fall möchte ich dann auch mit ihm essen gehen. Hach, ich freu mich schon und werde schon mal Ideen sammeln. Vielleicht habt ihr ja welche, die ihr teilen möchtet? Oder ähnliche Erfahrungen gemacht?
 
Kommt gut in die neue Woche und liebst,
icke

 

 

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3 Kommentare

  1. Wie wahr. Freitag freute meine Große sich auf nur sie und Mama im Planschbecken. Dann fiel sie mit dem Fahhrad so richtig hin. Sie war böse auf sich, weil sie sich diese Zeit verbockt hatte… So eine Auszeit ist viel wert.

  2. Ich hab gerade ein paar Tränchen verdrückt! Ich vergesse im Alltag auch schnell, wie klein sie mit Drei eigentlich noch sind.. Einmal im Monat Zeit für die Große ist eine schöne idee! Werde ich jetzt auch einführen! Danke mal wieder für deine erfrischende Ehrlichkeit!!

  3. Oh, so wahr. Gabs bei uns heute auch, zwar nur ein Stündchen in der Eisdiele, aber es war soo kostbar und Balsam pur. Auch hier gibt‘s ein kleines, hoch emotionales Geschwisterchen, das viel Aufmerksamkeit und Ressourcen schluckt. Exklusiv-Zeit einmal im Monat fest zu verankern ist eine tolle Idee! 🙂 Lg, Dany


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